Malbücher für Erwachsene erfreuen sich momentan großer Beliebtheit. Natürlich haben diese Malbücher einen tieferen Sinn, wir sollen dabei entspannen. Unser örtlicher Buchladen am Rande des Alten Landes hatte sie letztens in seinem Schaufenster liegen und selbst IKEA hat Malvorlagen auf Ihrer Homepage zum Entspannen (und auch schmunzeln, da typische IKEA-Werkzeuge ausgemalt werden sollen, siehe hier).
Und da ich bereits im November 2015 selber 2 solcher Bücher von einer Freundin geschenkt bekommen habe, beschloss ich mich selbst mal ans Malen zu setzen. Aber wann hat ein erwachsener Mensch mal Zeit und Muße zu malen? Einfach nur so? Während die Küche aufgeräumt werden muss? Wäsche gewaschen werden muss? Das Fahrrad repariert werden muss? Irgend etwas gibt es immer zu erledigen! Oder aber mein innerer Schweinehund möchte lieber auf der Couch liegen und lesen oder im Internet surfen.
Und damit sind wir schon bei einem ganz wichtigen Thema: Zeit für mich ist selten meine erste Priorität. Wenn wir aber etwas bewusst für uns machen wollen, müssen wir uns diese Zeit nehmen! Und dabei ist es letztlich nicht wichtig, ob wir die Zeit zum Malen, Lesen, in der Badewanne liegen, Joggen oder Schwimmen verwenden. Das Wichtige daran ist, dass wir etwas tun, weil es uns gut tut und weil wir es tun möchten. Leider ist das leichter gesagt als getan! Darum darf man etwas nachhelfen und sich z.B. zum Joggen aufraffen, auch wenn man momentan eigentlich gar nicht möchte, aber weiß, dass man sich hinterher besser fühlt.
Genauso bin ich auch beim Malen vorgegangen. Anstatt die nächste Waschmaschine anzumachen, setzte ich mich an meinen Esstisch, nahm das Malbuch und die dazugehörigen Stifte (die sehr gut in der Hand liegen und mit zum Geschenk gehörten!) und legte los. Als erstes musste ein passendes Bild gefunden werden, das zu mir und meiner momentanen Stimmung passte. Und dann? Wie entspannt man beim Malen?
Kinder können ganz im Hier und Jetzt versinken. Das beobachte ich regelmäßig bei meinem Kleinen, der mit seinen sechs Jahren stundenlang Landschaften mit Tunneln und Bergen und Drachen und Häusern und Autos und Flugzeugen und Dinos und vielem mehr malen kann. Er malt einfach los, meist mit nur einer kleinen Idee und alles Weitere folgt während er malt.
Das fiel mir nicht ganz so leicht. Sofort schaltet sich das Gehirn ein, welche Farben genommen werden müssen, damit das Ganze fröhlich aussieht. Und dann die Frage, male ich in einer bestimmte Reihenfolge der Farben oder wild durcheinander? Nachdem ich mich dazu entschieden hatte, malte ich los. Ein letztes Mal überlegte ich, ob ich nicht doch eine Waschmaschine anmachen sollte, aber nein, ich hatte mir ja vorgenommen zu entspannen!
Und siehe da, nach 25 Minuten (das kommt mir immer noch furchtbar lange vor) war das erste Bild ausgemalt. Tatsächlich ist es mir relativ schnell gelungen mich auf das Malen einzulassen und mich auf die Abfolge der Farben zu konzentrieren. Fairerweise muss ich erwähnen, dass ich als Kind und Jugendliche sehr gerne gemalt habe. Tatsächlich konnte ich beim Malen abschalten, mich auf die Farben konzentrieren, die Gedanken abschweifen lassen und sie dann wieder zu den immer gleichen Abläufen des Ausmalens in meiner persönlichen Farbreihenfolge zurückholen. Letztlich habe ich mir 20 Minuten (die ersten fünf Minuten wären gelogen!) Achtsamkeitsmeditation gegönnt, mitten am Tag.
Die Malbücher für Entspannung oder gegen Stress können also tatsächlich ein Weg sein, etwas mehr Achtsamkeit in den Alltag zu integrieren, sich mal eine Auszeit zu gönnen und abzuschalten. Ist es eine Entspannungsmöglichkeit für alle? Das bezweifle ich! Meinen Mann zum Beispiel, der Kunst in der Schule gehasst hat und in seinen inzwischen fast 12 Jahren als Vater noch kein Bild mit seinen Kindern gemalt hat, würde das Ausmalen wahrscheinlich nicht entspannen. Aber zum Glück sind wir alle verschieden und er nimmt sich Zeit für sich und geht Joggen.
Das ist dann auch die Quintessenz, die man aus den Malbüchern für Erwachsene ziehen kann: Zum Entspannung muss ich mir bewusst Zeit für mich nehmen! Ich muss Zeit in mich investieren! Und wenn mir das Ausmalen dann Spaß macht, ist es eine gute Möglichkeit eine Auszeit in den Alltag zu integrieren. Werde ich persönlich weiter malen? Ja! Ich werde von meinem Sohn lernen und werde mich jedes Mal, wenn er sich ans Malen setzt dazu setzen und eine Seite ausmalen. Und als nächsten Schritt setze ich mich dann einfach nur für mich hin, auch wenn das Kind vielleicht lieber mit dem Vater joggen gehen wird.